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20. Februar 1987    

Ausgrabungen in der Burg von Dresden ...

... mit Herrn Dipl.-Ing. Reinhard Spehr vom Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden

Ausgrabungen in der Burg von Dresden

Von 1982 bis 1986 führte das Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden unter Leitung des Verfassers archäologische Ausgrabungen im Residenzschlosse durch. Es war die letzte Chance zu solchen Forschungen vor dem Wiederaufbau. Allein wissenschaftliche Fragen, allerdings von höchster Bedeutung, reizten uns an dieser Aufgabe: Wo lag der Königshof Nisan, bei dem Kaiser Heinrich II. im Jahre 1004 Schiffe zusammenzog und der Ende des 12 Jh. wiederum in einem Verzeichnis der größten Königsgüter Friedrich Barbarossas erscheint?

Theoretisch standen für die gesuchte Königsburg zwei Plätze zur Verfügung: 1. Umkreis der Frauenkirche, 2. das Dresdner Schloß. Noch nach dem ersten Ausgrabungsjahr waren wir des festen Glaubens, Nisan unter dem Schlosse entdeckt zu haben. 

Inzwischen sehen wir klarer und können nach vierjährigen Mühen folgendes vorlegen: Dresden wurde um 1170 durch Kaiser Friedrich I. gegründet, wobei der alte Königshof Nisan im Umkreis der Frauenkirche, der damals möglicherweise zur Pfalz ausgebaut wurde, außerhalb der Stadtmauer blieb. Im Norden der von 3 angestauten Seen umgebenen Stadt war ein Immunitätsbezirk abgegrenzt, durch den die Hauptstraßenachse zur Brücke führte. Dieser „Bezirk“ hat im Mittelalter eine dreigegliederte Geschichte durchlaufen: 

1. Die erste Phase ist gekennzeichnet durch Fachwerkhäuser, z. T. mit Unterkellerung eines um 1170 gegründeten Bauhofes. der sich, von einer Mauer umgeben, links und rechts der Schloßstraße weithin erstreckte. Diese Werksiedlung wurde durch einen Wasserkanal versorgt, zu dem der mehrere Kilometer lange Kaitzbach-Aquädukt gehört haben muß. Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, daß hier fremde, wohl italienische Bauleute wohnten und arbeiteten. Diese waren als Spezialisten maßgeblich an der steinernen Bogenbrücke beschäftigt, deren Bau vielleicht 1173 auf dem Hoftage in Oberhermsdorf bei Dresden durch den Kaiser Friedrich beschlossen worden war. Mit ihr wurde die neugegründete Reichsstadt Dresden über eine Straßenverbindung nach Königsbrück (!) an die Via Regia Lusatiae angebunden. Unsere Ausgrabungen an der Brücke erbrachten ziemlich eindeutige Beweise für den Wahrheitsgehalt der alten verlachten Legenden vom Baubeginn 1173 und dem italienischen Baumeister Matthaeus Focius, dessen einzelnes Signum wir neben über 200 Zeichen seiner 5 Gesellen entdeckt haben.

2. Um 1200 werden die Häuser des Bauhofes nach einem Brande planiert und Markgraf Dietrich von Meißen Iäßt in kürzester Zeit einen rechteckigen Palasthof (Curie) mit 4 Ecktürmen und einem weiteren Turm an der westlichen Hofmauer sowie mit  2 palastartigen Wohnbauten errichten: einer west-ost-orientierten, 19 m langen und 10 m breiten Kemenate mit dreijochiger KelIerhalle und einem nord-süd-orientierten, etwa 24 m langen und 13 m breiten Palatium, von dem aber nur ein kleiner gedielter Kellerraum mit Rundbogenfenster (Bad?) vollständig freigelegt werden konnte. Leider sind die archäologischen und kunsthistorischen Datierungsmöglichkeiten überfordert, um sagen zu können, ob die ehrenwerte Versammlung am 31. März 1206 in Dresden hier in diesem markgräflischen Palast stattgefunden hat. Immerhin wäre der Kemenatenkeller groß (110 m2) und repräsentativ genug gewesen (Kreuzgratgewölbe auf 4 Sandstein-EckpfeiIern und 4 Wandpfeilern mit Gurtbögen; mindestens 2 große Fenster, großzügiger Treppenabgang vom Hof; Portal; Wandnische), um die erwähnten über 50 hohen Gäste und einen Teil ihres Gefolges aufnehmen zu können.

3.  Die dritte Phase ist gekennzeichnet durch den Ausbau der vieltürmigen spät-romantischen Curie zur festen Burg unter Markgraf Wilhelm (1379—1407) : Das alte Palatium wird abgebrochen, die Kemenate aber beibehalten. Im Norden wird ein mächtiger Wohnturm (Hausmannsturm) als westlicher Abschluß eines prächtigen Palastes (Altes Haus) errichtet. Rundum werden doppelte Zwingermauern und ein 20 m breiter Wassergraben gezogen. Das Tor befand sich, wie in romanischer Zeit, im Osten und wurde erst in der Spätgotik (nach 1470), als durch umfangreiche Baumaßnahmen die Burg zum Schlosse umgestaltet wurde, an die Südseite verlegt. Um 1470/80 entstand u. a. auch jene prachtvolle Säulenhalle mit 2 Schiffen zu je 4 Jochen, die vor 1520 völlig umgebaut werden mußte, da sie anscheinend durch das Erdbeben von 1505 stark beschädigt worden war.

Reinhard Spehr